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elefant

 

Des Kaufmann Bartholomäus Rudolphs Vergnügen


Am Samstag, den 22. August des Jahres 1668 stand in der ganzen Stadt Ulm alles Kopf. Kurz nachdem die Sonne am höchsten war, sollte Er eintreffen. Verkaufsbuden standen schon seit Tagen auf den Straßen, Händler, Wunderheiler, Bettler versammelten sich um das Münster. Das ganze Spektakel, das Bestaunen des Weltwunders, war um drei Tage verschoben worden, denn das Schiff, das ihn nach Ulm bringen sollte, war nicht geeignet, sodass er nun zu Fuß gehen musste.

Es war so schön geplant gewesen. Er sollte bei Günzburg auf ein Schiff gebracht werden, um dann in Ulm feierlich an Land zu gehen.

Man beauftragte den Fährmann Rudolf Wagner aus Dillingen, das tüchtigste Donaufährboot, das eine solche schwere Fracht tragen konnte, zur Verfügung zu stellen. Er holte sein größtes, ein Fährboot, mit dem man bis zu 3 Pferde samt Reiter auf einmal sicher über die Donau rudern konnte. Als Rudolf Wagner dann, aus der Ferne, das sah, was er in sein Schiff laden sollte, schüttelte er ganz langsam den Kopf. „Nein, das geht nicht. Bringt mir dies auch nicht in meine Nähe, ich will nicht vor solch einem stehen. Es ängstigt mich.“

Vielen Leute ging es auf der Wanderschaft des Elefanten ebenso, sie hatten Angst, einem solch großen Tier, einem Elefanten, den man nur vom Hören und Sagen kannte leibhaftig zu begegnen. Auf der andern Seite war es eine Sensation und die Begleiter verlangten „Blickgeld“, wenn jemand ihren Elefanten von der Nähe sehen wollte. Mit der Zurschaustellung des Elefanten finanzierten sie die Reise des großen Tieres von Westindien bis zur ehrwürdigen Stadt Ulm.

Es war nicht immer einfach, das viele Fressen für den Elefanten zu besorgen und auch sein Begleiter, der Mahut, war sehr wählerisch mit dem Essen. Er wusste um seine Stellung und weigerte sich standhaft weiterzugehen, wenn er nicht sein von ihm gewünschtes und zugesichertes Essen bekam, und wenn er nicht ging, bewegte sich der Elefant auch nicht von der Stelle.

Jetzt war es aber bald zu Ende, Ulm war in Sicht und wenn die geplante Schiffsreise nicht geht, dann eben weiter zu Fuß, Hauptsache der Elefant ist bald in der Stadt.

Der Ulmer Kaufmann Bartholomäus Rudolph (1620 - 1699) beauftragte seinen Gewürzeinkäufer Joseph Schpayk (1630 - 1689), einen lebendigen Elefanten aus Indien mitzubringen. Es würde zwar nicht der erste Elefant in Europa sein, Hannibal kam ihm da schon zuvor, aber der erste in Ulm, der erste nördlich der Alpen seit Menschengedenken.

Bartholomäus Rudolph selbst kam nie aus Ulm heraus, höchsten war er mal um Ulm zu sehen, um seine Ländereien, die nicht wenige waren, zu besuchen, aber danach berichtete er immer, dass es um Ulm herum alles zu sehen gäbe, was man sehen müsse, ein Reisen erübrige sich.

Das hielt ihn aber nicht zurück, begierig alle Berichte aus fernen Ländern anzuhören. Die für ihn tätigen Einkäufer mussten, wenn sie zu ihm kamen, vor dem Geschäftlichen von den Menschen fremder Länder berichten, über die Sitten, den Gebräuche, die Tiere und Pflanzen.

Von Indienfahrern hörte er immer wieder unglaubliche Geschichten über Elefanten. Da er, wie wir wissen, Ulm nie verließ, dachte sich Bartholomäus Rudolph, dann könne er doch die Welt einfach nach Ulm kommen lassen, und ganz nebenbei würde er seinem Konkurrenten, dem Ulmer Kaufmann Christoph Weickmann (1617-1681), mit seiner Wunderkammer, seiner Kuriositätensammlerei eins auswischen, möge dieser doch Einhorngeweihe haben, Mumienpulver, Fliegenwedel als Weltchronik, komische Muscheln sein eignen nennen, alles tote Dinge, aber einen echten lebendigen Elefanten hat dieser nicht und wird er nie vorweisen können.

Am Samstag, den 22. August 1668, kurz nachdem die Sonne ihren höchsten Stand verlassen hatte und sein erstes Fenster im Ostflügel seines Hauses erreichte, war es dann so weit. Unter der Beteiligung der gesamten Bevölkerung, mit Ohhhhh-Rufen, Ähhhhhh-Schreien, mit aufgerissenen Augen und der Angst vieler Zuschauer betrat die Elefantenkuh „Selengai“ von ihrem Führer Mahut begleitet und geführt durch das Osttor die Stadt Ulm.

Durch das Gedränge von Menschen, die mit Gekreische auseinander stoben, wenn „Selengai“ in ihre Nähe kam, wurde sie durch die Stadt geführt und anschließend in den extra gebauten Stall auf dem Anwesen des Kaufmanns Bartholomäus Rudolph gebracht. Ab dieser Zeit war der Elefant ein Anziehungspunkt der Stadt Ulm. Ganz Süddeutschland sprach von nichts anderem mehr, so, dass sich seit jener Zeit viele Gasthäuser oder Apotheken Süddeutschlands stolz „Zum Elefanten“ nennen.

Wenn man die Wärter des Elefantenstalls bestach, konnte man den Elefanten aus großer Nähe sehen, oder man wartete bis „Mahut“ in Begleitung seines Herrn Bartholomäus Rudolph die Elefantenkuh „Selengai“ ausführte. Für die Ulmer wurde es mit der Zeit fast zu einem gewohnten Bild.

Die Elefantenkuh starb nach zwei Jahren an Stress und Fehlernährung.

Bartholomäus Rudolph ließ Zeichnungen von dem Elefantenpfleger „Mahut“ anfertigen und beauftragte die neu gegründete Hanauer Fayencemanufaktur eine kleine lebensgetreue Figur anzufertigen. Von „Selengai“ lies er den linken Fuß ausstopfen und stellte ihn mit der Figur des „Mahut“ in seinen Geschäftsräumen an repräsentativer Stelle auf.

Erst 70 Jahre später sollte wieder ein ähnliches exotisches Tier Europa erfreuen. Der Holländer Douwe Jansz Mout van der Meer tourte von 1742 bis 1768 mit einem zahmen weiblichen Rhinozeros als Schausteller durch Europa. Im Gegensatz zu Bartholomäus Rudolph, der sein Tier zu seinem eignen Vergnügen hatte, vermarktete Douwe Jansz Mout sein Rhinozeros sehr erfolgreich. Inzwischen war eine andere Zeit angebrochenen.


Literatur:
Giacomo Casanova, Geschichte meines Lebens, Berlin, 1956
Gerhard Zahn, Ein Elefant in Ulm, München, 1978
Glynis Ridley, Claras Grand Tour, Hamburg, 2008
Julius Dachser, Die Geschichte des Transports von Großtieren, Ulm, 2017 hihi