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Wie Ulm vor einem Elefanten gerettet wurde


Der viel gereiste Ulmer Kaufmann Bartholomäus Rudolph (1620 - 1699), ein erfolgreicher Geschäftsmann, der mit Waren aus aller Herren Länder und jeder Art handelte, kehrte nach einem Jahr Abwesenheit in sein Handelshaus, zu seinem Kontor zurück.

Bartholomäus Rudolph hatte zu Kontoren in aller Welt Handelsbeziehungen. Er besuchte sie regelmäßig, um sich auf dem neuesten Stand zu halten und um gute Geschäfte zu machen. Aber das, was ihn besonders antrieb war seine nicht zu stillende Sehnsucht zu reisen, andere Länder, Sitten, Gebräuche kennenzulernen.
Seine Reisen führten ihn in alle Ecken der bis dahin entdeckten Welt. Er erzählte überall, dass Ulm der Mittelpunkt der Welt sei, aber um Ulm und um Ulm herum wäre die Welt, die er bereist.

Gerade kommt er von einer Reise aus Fernost zurück. Er bringt zwei Planwagen voll feiner, ausgefeilter Waren mit und erwartet noch viel anderes, das in den nächsten Wochen eintreffen wird.
Wie immer, wenn er von einer seiner Reisen zurückkommt, gibt es eine Sondersitzung der Ratsherrn und Bartholomäus Rudolph berichtet von seinen Reisen, von den Heiratssitten der Ceylonesen, den Menschenfressern auf den südlichen Inseln, den Rechenkünsten der Inder, vom Kaiser von China, den er persönlich kennt, von dessen unvorstellbarem Reichtum. Die Sitzung wird in den Ratskeller verlegt und dort nehmen die Ausschmückungen seines Erzählens nach jedem Glas Wein immer abenteuerlichere Dimensionen an.
Er erzählt von den Krokodilen, die ganze Schiffe verschlingen, von den Einhörnern, die Jungfrauen beschützen, er überreicht ein Horn eines Einhorns dem Kaufmannkollegen Christoph Weickmann für sein Kuriositätenkabinett, er berichtet von Paradiesvögeln, die ohne Nahrung leben können, von indischen Elefanten, die so stark und groß seien, dass sie ganze Wälder niedertrampeln.
ls er von den Elefanten erzählt, schauen die Ratsherrn recht ungläubig, sodass er sich hinreißen lässt, prahlt, dass er das nächste Mal einen solchen Elefanten mitbringen wird, unter der Bedingung, dass die Stadt Ulm für die Folgekosten aufkomme.
Es wird ein Protokoll aufgesetzt, ein Vertrag unterschrieben und mit viel Wein besiegelt.

Seine nächste Reise ging in das Zarenreich, in Moskau kaufte er feine Porzellanfiguren, von dort reiste er in den Süden nach Indien und beim Anblicks des ersten Arbeitselefanten erinnerte er sich an sein Versprechen, an den Vertrag, einen Elefanten nach Ulm mitzubringen.
Bartholomäus Rudolph war ein kühler Kaufmann, er rechnete sich aus, dass es ein desaströses Unternehmen sei, einen Elefanten von Indien bis nach Ulm zu transportieren, aber eines der obersten Gebote eines Kaufmannes ist es, Verpflichtungen, Verträge wortgetreu einzuhalten. Was sollte er tun?

Er besorgte sich von einem verstorbenen Elefanten einen ausgestopften Fuß und stellte eine in Moskau erstandene Fayence eines liegenden Elefantenführers neben selbigen.

Viele Monate später in Ulm:
Meine ehrenwerten Herren, bei unserem letzten Treffen versprach ich vertraglich, einen Elefanten mitzubringen, hiermit überreiche ich Ihnen den verkleinerten Fuß des Elefanten Selengai mit dem dazugehörigen Elefantenführer Mahut.“
Ein verärgertes Murren ging durch die Ratsherrenschaft.

„Meine ehrwürdigen Herren, der größte aller Mathematiker Indiens, der von allen verehrte und bewunderte Abinash, hat maßstabsgetreu den Fuß des Elefanten Selengai und seinen Führer Mahut klein gerechnet und herstellen lassen.“
Ein anerkennendes Ohhh ging durch die Ratsherrenschaft.

„Meine hochwürdigen Herren, jetzt stellen Sie sich einmal vor, wenn diese kleine Figur wachsen würde und so groß würde wie Sie und ich es sind, und dieser neben ihr stehende Elefantenfuß genauso mitwachsen würde, wie groß der Fuß werden würde und nun stellen Sie sich den dazugehörigen Elefanten vor...„
Ein angstvolles Ahhhhh war von den Ratsherren zu hören.

„Meine besorgten Herrn des Rates, wie soll solch ein großes Tier in die Stadt Ulm eintreten? Man müsste die Tore einreißen, große Teile der Stadtmauern beseitigen, diesmal würde uns auch kein Spatz mehr helfen können. Der Elefant müsste täglich ausgeführt werden, kein Haus würde unbeschädigt bleiben.„
Ein Aufschrei der Angst, des Entsetzens ging durch die Ratsherrenschaft.

„Meine von Verantwortung geplagten Herren, Sie haben sich verpflichtet, den Elefanten unterzubringen und ihn zu unterhalten, wo soll er untergebracht werden, das größte Haus, das passen würde, ist unser Gotteshaus, unser aller Ulmer Münster, soll aus dem Münster ein Elefantenstall werden und denken Sie an die Mengen von Futter, das so ein Tier täglich verlangt.“
Panik entstand unter den Ratsherren, „NEIN“ schrien sie und sprangen von ihren Sitzen auf.

„Meine Herren, um all dies zu vermeiden, um mein, unser aller geliebtes Ulm zu retten, um Zerstörung und Unheil von unserer schönen Stadt abzuwenden, habe ich mich entschlossen, nur diesen verkleinerten Fuß und die Figur zur Anschauung mitzubringen“
Jubel brach unter den Ratsherren aus. Bartholomäus Rudolph wurde als der große Retter Ulms gefeiert. Spontane Lobreden wurden gehalten, und alsbald wanderte die ganze Herrengruppe in den Ratskeller, denn die Rettung Ulms musste ausführlich gefeiert werden.

Und wenn sie nicht zu ihren Frauen nach Hause gegangen sind, feiern sie bis heute die Rettung Ulms.


Literatur:
Johann Spatz, Die seltsame Rettung von Ulm, Ulm 1889
Hubert Rohr, Von Legenden und Großmauljägern, Heidenheim, 1924
Robert Fuß, Fernreisen und Mitbringsel, München 2001