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Das Quietscheentchen und die Wolterische Strömung


Dieses Museumsobjekt, ein Quietscheentchen, wartet noch, in die Inventarliste des Museums aufgenommen zu werden. Es ist kein einfaches Objekt, da diese Ente aus Plastik für ihren konservatorischen Erhalt ziemlich hohe Ansprüche stellt. Sie muss immerzu, um keinen Schaden zu nehmen, auf Wasser mit einem Salzgehalt von 3,5 % (Meereswasser) schwimmen.

Dieser Ente ist, nach allen unabhängigen Recherchen und Forschungen, im wahrsten Sinne Unglaubliches gelungen, sie ließ sich, völlig passiv, vom Schwarzen Meer die Donau hoch bis zur Stadt Ulm, flussaufwärts, gegen die Strömung treiben.

Das „Institut für Strömungsforschung, Dynamik und Selbstorganisation“ schüttelte, Zähne knirschend, ungläubig den Kopf und das kleine, immer als Außenseiter belächelte „Institut für Fluid- und Nichtlineare Dynamik“ jubelte, bewies es doch nun die Richtigkeit der Theorie, die es seit Jahrzehnten vertritt.

Das „Institut für Fluid- und Nichtlineare Dynamik“ forscht über die Wolterische Strömungsmechanik, über die nicht linearen Strömungen von Flüssen, die von der Mainstream- Wissenschaft als Unsinn, als nicht haltbar abgelehnt wurde, nun aber durch die „Ulmer Ente“, wie sie inzwischen ironisch, liebevoll genannt wird, empirisch belegt, bewiesen ist.

Benjamin Wolter (1892 - 1975) beschrieb 1928, dass jede Strömung in sich verschränkte Oberflächenverwirbelungen erzeugt, die als Ganzes zusammen addiert eine entgegen gesetzte Mikroströmung bilden. Diese hier zu sehende, einzigartige „Ulmer Ente“ hat sich dieses Phänomen zunutze gemacht, um gegen die vorherrschende Strömung die Donau hoch zu „schwimmen“, um bis nach Ulm zu gelangen.

Die „Ulmer Ente“ gehört zu jenen 30.000 „Friendly Floatees“ Enten, die seit dem 10. Januar 1992 über die Weltmeere treiben.

Das unter griechischer Flagge fahrende Frachtschiff „Ever Laurel“ verlor an diesem Tag während eines starken Sturmes im Nordpazifik in der Nähe der Datumsgrenze drei Container und so gelangten 30.000 Plastik-Quietscheenten ins Meer. 20.000 drifteten sofort in den Süden und wurden in Südamerika und Indonesien gesichtet, 10.000 machten sich auf den Weg zur Nordhalbkugel, umkreisten Grönland, überwinterten im Packeis, trieben mit Eisbergen an der nordamerikanischen Küste entlang in den Süden, wurden vom Golfstrom erfasst und konnten 15 Jahre später in Irland und England nachgewiesen werden. Sie gaben der Meeresforschung entscheidende Hinweise über die Oberflächenströmungen der Meere.

Wie und warum diese hier in Ulm gefundene Ente in das Mittelmeer gelangte, über das Schwarze Meer die Donau hoch trieb und ausgerechnet in Ulm an Land ging, um dabei die „Wolterische Strömungsmechanik“ zu beweisen, bleibt wahrscheinlich auf immer ein ungelöstes Rätsel.

Das Museum wartet nun bei den anlaufenden Eingängen auf eine besonders schöne Inventarnummer, um diese der „Ulmer Ente“ zukommen zu lassen.



Literatur:
Karl Lieberfuß, Die Gegenströmung: das Problem der Schifffahrt, Passau 1958
Curtis C. Ebbesmeyer, W. James Ingraham Jr.:
Pacific Toy Spill Fuels Ocean Current Pathways Research. In: American Geophysical Union (Hrsg.): EOS, 75. Jg., Nr. 37, 13. September 1994
MDR,
Forschung mit Badeenten, Memento vom 24. Mai 2010
Donovan Hohn: Moby-Duck:
The True Story of 28,800 Bath Toys Lost at Sea and of the Beachcombers, Oceanographers, Environmentalists, and Fools, Including the Author, Who Went in Search of Them, Viking, New York 2011
Susanne Groß,
Die Ente, das Phänomen, Berlin, 2012
https://de.wikipedia.org/wiki/
Friendly_Floatees



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