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Die OliveneichenDie Oliveneichen (Quercus olivae) von Wiepersdorf
oder
Waren die Kreuzungsversuche des Achim Freiherrn von Arnim - Bärwalde erfolgreich?

 

Es muss gelingen!“ Diese kurze Mitteilung schrieb im Herbst, vier Monate vor seinem Tod, Achim von Arnim - Bärwalde (1848 – 1891) auf einer Postkarte an Freiherrn v. Grudtwitz. Die kurzen, fast verzweifelten Worte voll trotziger Überzeugung verstand v. Grudtwitz sofort. Beide lernten sich auf einer Italien-Reise in Como am Comersee kennen.

Achim von Arnim – Bärwalde, der allzu früh Verstorbene, Enkel des Dichter-Paares Bettina und Achim von Arnim, übernahm nach einem abgeschlossenen Jurastudium 1870 die Verwaltung des Erbgutes in Wiepersdorf bei Berlin. Er fühlte sich schon als Jugendlicher zu den Schönen Künsten hingezogen, und so beschloss er, noch im selben Jahr Kunstgeschichte in Berlin zu studieren. Nach Aufnahme des Studiums verspürte er, dass er sich nicht nur mit Kunst beschäftigen, sondern selbst Kunst schaffen wolle, dass er sich zum Kunstmaler berufen fühlte. Er ging nach München, der damaligen Hauptstadt der akademischen Malerei, um Historienmalerei zu lernen. Im Frühsommer 1872 reiste der gerade 24 jährige Maler zu einer ersten Exkursion nach Italien, erkannte sofort dies schöne Land und verliebte sich kompromisslos in dessen Kunstschätze. Auf dieser, seiner ersten Italienreise beschloss er, sein Gut Wiepersdorf in der gerade sehr modernen Neo-Barockmanier umzubauen und seinen Garten den italienischen Skulpturen zu widmen.

von dieser Reise brachte er drei italienische Vasen mit. 1877, nach dem Aus- und Anbau seines dreiachsigen Ateliers auf der Nordseite des Herrenhauses in Wiepersdorf, erstand er auf einer erneuten Italien-Reise, es war inzwischen schon die vierte, eine Jupiter-Statue und etliche Vasen. Damit seine Skulpturen eine würdige Umgebung bekamen, ließ er eine ausschwingende Terrasse errichten, die Anlage davor absenken, ein Mittelbeet anlegen, wodurch der bereits vorhandene und der noch erstehende Skulpturenschmuck eine würdige, inszenierte und repräsentative Umrahmung finden konnte.

Inspiriert von Fürst Pückler, dem großen Gartengestalter, den er als Jugendlicher kennen und verehren lernte, begann er in seinem Wiepersdorfer Park, Bäume unter Berücksichtigung von Blickachsen zu pflanzen. Er begeisterte sich besonders für Eichen, insbesondere für die, auch in Italien vorkommenden immergrünen Steineichen (Quercus robur) und die laubabwerfende Traubeneiche (Quercus petraea).

In den Jahren 1888 bis 1889 baute Achim von Arnim - Bärwalde an der Südseite seines Parks eine einstöckige Orangerie, um in ihr Olivenbäume der Sorten Cerignola, Ligurine und Kugano zu züchten. Er wollte aber nicht nur die Olivenbäume vermehren. Sein eigentliches Ziel war es, sie mit der einheimischen Eiche zu kreuzen. Oliveneiche (Quercus olivae) sollte der neu geschaffene Baum heißen. Auf dieses Bemühen bezieht sich der eingangs erwähnte Brief an den Freiherrn v. Grudwitz. Achim von Arnim - Bärwalde war Anhänger er damals weit verbreiteten Übereinstimmungstheorie.

Diese Theorie besagt, dass Pflanzen nach ihrem Äußeren betrachtet und ihre Bedeutung für den Menschen erfasst werden müsse, weil sich durch die genaue Betrachtung der Pflanzen und die präzise Erfassung des inneren Wertesystems, unter Berücksichtigung der überlieferten historischen Bedeutung, Übereinstimmungen, Abstammungen und Verwandtschaften der Pflanzengattungen ergäben. Diese Theorie entstand als Abgrenzung zur sich inzwischen etablierenden naturwissenschaftlichen Erforschung der Natur, diese wurde als kalt, sezierend, historienlos, als analytisch verurteilt. Achim von Arnim- Bärwalde erkannte große Übereinstimmungen zwischen den Eichen und der Olive.
Nicht nur, dass sich die Früchte verblüffend ähneln, auch, dass beide Bäume weit über tausend Jahre alt werden können, dass beide Bäume von großer mythologischer Bedeutung sind, fand er beachtenswert. Die Eiche wurde von den Germanen dem Donner- Gott Thor geweiht, in Griechenland dem Blitze schleudernden Zeus, die Zweige des Olivenbaumes sind von alters her ein Friedenszeichen, der Eichenzweig ein Trauerzeichen für gefallene Helden. Beide Bäume werden als Lebens- und Weltbäume verehrt.

Früchte beider Bäume sind als Nahrungsmittel begehrt, die einen von Menschen, die andern von Schweinen. Aus der Frucht der Olive wird ein schmackhaftes Öl gewonnen, aus den Früchten der Eiche wird ein schmackhaftes, dem Kaffee ähnliches Getränk gebraut. Wegen diesen und anderen klaren und eindeutigen Übereinstimmungen sah sich Achim von Arnim - Bärwalde bestätigt und war sich gewiss, dass eine Kreuzung, wenn auch schwierig, aber doch möglich sein müsse. Für seine Kreuzungsversuche sah er die Traubeneiche und die Olive Liguria als geeignete an.

Seine ersten Experimente begann er mit verschiedenen Kreuzungsmethoden parallel. Er kreuzte durch Bestäubung der Blütenpollen, durch Wurzelpfropfung, mit Stammspreizung und der vielversprechenden Fruchteinbindung. Die ersten Setzlinge, die er fieberhaft erwartete, ergaben sich aus der Stammspreizung und der Bestäubung und sahen aus wie normale Eichensetzlinge. Fünf dieser Setzlinge, die ihm an robustesten erschienen, hegte und pflege er und setzte sie im Herbst 1890 ins Freiland. Im Februar 1891 verstarb Achim Freiherr von Arnim - Bärwalde ohne Leibeserben. Sein ältester Vetter Erwin von Arnim (1862-1928) übernahm das Anwesen und ließ die Gartenanlage nach den vorhanden Plänen zum Abschluss bringen.

Erwin von Arnim, der auf seinem Schloss in Zernikow wohnen blieb, erlaubte den Dorfbewohnern von Wiepersdorf, die Eicheln der Eichen einzusammeln und an ihre Schweine zu verfüttern. Dies ungeschriebene Recht wandelte sich zu einem Gewohnheitsrecht und ist es bis heute geblieben. Die fünf Stecklinge des Kreuzungsversuches entwickelten sich zu Eichen, zu großen Eichen, überstanden manchen Sturm, einige sehr kalte und dauerfrostige Winter, Not, Hunger, die Russische Besatzung des Schlosses und die Enteignung der Herrensitze.

Die Bauern des Dorfes Wiepersdorf sammelten unter jedem System, bei jedem Wetter die Eicheln im Schlossgarten und verfütterten sie an ihre Schweine. 1956 wurde eine LPG- Schweinezucht mehr oder weniger freiwillig gegründet. Die dortigen Schweine fraßen weiterhin die Eicheln der Eichen des Schlossparks, der nun offiziell „Park der Erholungsstätte der Intelligenz“ hieß. Das Schweinefleisch der LPG aus Wiepersdorf, das von Anfang an als besonders schmackhaft galt, wurde in der DDR als das beste der Republik angesehen und in allen kulinarisch-sozialistischen Gourmand Führern als überdurchschnittlich schmackhaft bezeichnet. Das Fleisch wurde als mild, würzig, angenehm leicht salzig, nicht zu trocken bezeichnet und immer wieder mit Medaillen und andern Auszeichnungen bedacht. Zu Staatsempfängen in Berlin wurden regelmäßig Schweine aus Wiepersdorf angefordert.

1992 wurde die LPG-Schweinezucht abgewickelt und 1995 eingestellt. Im Nachbardorf Werbig, in der Hybrid-Schweinzucht GmbH, wird seitdem versucht, an die Tradition Wiepersdorfs anzuknüpfen, aber bis heute wurde nicht der Dreh gefunden, um auch nur annähernd die Fleischqualität der Wiepersdorfer Schweine zu erreichen.
Im Herbst 2003 wurden im Rahmen einer Eichenbestandskatalogisierung in Brandenburg auch die Eichen des Wiepersdorfer Schlosses, das heute eine Künstlerschloss ist, untersucht. Prof. Dr. Bengas vom „Institut für digitale Pflanzen- Systematologie“ aus Potsdam fiel das verblüffende Schwarz an einigen ausgereiften Eicheln der dortigen Traubeneiche auf. Bei den eingeleiteten Untersuchungen konnte keine Abweichung von den bereits bekannten Traubeneichen festgestellt werden. Erst bei der von ihm angeordneten DNS-Analyse dieser auffallenden schwarzen Eicheln wurde in der Doppel-Helix der DNS-Struktur ein für die Traubeneiche artfremdes Purin festgestellt. Bei einem Datenabgleich konnte eine Übereinstimmung dieser Purin- Verbindung mit der der Olivensorte „Liguria“ festgestellt werden. Seitdem ist unter Experten ein Streit ausgebrochen, ob die Kreuzung von Achim von Arnim – Bärwalde von Erfolg gekrönt war, ob die kleinen DNS-Veränderungen überhaupt als Kreuzung zu bezeichnen sind. Ob die fünf Eichen in Wiepersdorf nun als neue Eichenart, als Oliveneichen (Quercus olivae), bezeichnet werden müssten oder ob es eine zufällige, nicht weiter zu beachtende Laune der Natur sei.

Die Eicheln der Eichen von Wiepersdorf liegen jeden Herbst weiterhin im Schlossgarten, von den Dorfbewohnern selten mehr aufgesammelt. Nur manchmal rutscht oder rollt einer der im Künstlerschloss weilenden Künstler, in seinen Gedanken versunken, auf den schwarzen Eicheln aus und kommt durch sie strauchelnd auf andere Gedanken.

 

Literatur:
M. Behm / D. Döping, Botanische Entdeckungen im Fläming, Luckenwalde, 2003
B. Albrecht / D. Sossenheimer, Wie man es jedem/er Recht macht, München 1995
,R. Karbaum, Das Wissen über Wiepersdorf, Berlin 1996
M: Richter, Über die Geduld und Freundlichkeit, Luckenwalde 1997
U. Schiemann, Die Bank und die Künstler, Wiepersdorf, 1994
V.Dathe / K. Dietrich / R. Schallhammer, Kulinarische Hochleistungen, Berlin 1988
A. Karbaum / K. Kummer, Intime Einblicke bei Künstlern, Jüterbog 2000
M. Fabisch / K. Hauptvogel, Von der Kunst Gärten zu pflegen, Dahme 1999