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Edelweiß für Amsterdam Edelweiß für Amsterdam

Der Bergsteiger, Künstler und Museumsdirektor Roland Albrecht hat 18 Töpfe mit je ca. 20-30 Blüten des extrem geschützten alpinen Edelweiß (Lenontopodium alpinum) nach Amsterdam verbracht.

Die Aktion „Edelweiß für Amsterdam“ fand im Rahmen des Natuurlijk Museum in der Witte de Withstraat 139 in Amsterdam statt. Die Aktion stand in keinem Zusammenhang mit der diesjährigen, am 15.6. 07 eröffneten „documenta 12“ in Kassel. Die Aktion „Edelweiß für Amsterdam“ dient einzig dem Zweck, dieser seltenen, nur an ausgesetzt stehenden Kalksteinfelsen wachsenden Pflanze eine neue, angemessene Heimat zu geben. Die äußerst behütete Pflanze, die die österreichischen Zwei-Cent-Münzen und die Rangabzeichen der schweizerischen Generäle ziert, diese Pflanze mit den hohen symbolischen Bedeutungen soll eine neue Heimat bekommen. Ihre bisherigen Begleiter, wie die hohen, spitzigen Felsen, Schnee und Eis, Gämsen und Steinböcke, sollen ausgetauscht werden gegen einen fernen, nicht endenden Horizont, gegen Tulpen und weiß-schwarz-gefleckte Milchkühe. Dem Edelweiß soll eine neue Existenzform, eine neue Identität in anderer, neuer Umgebung angeboten werden.

Das „Natuurlijk Museum“ ist eine wieder auferstandene Wunderkammer, Keimzelle aller modernen Museen. In Wunderkammern wurden und im Natuurlijk Museum werden die Schönheiten der Natur wie der Kunst präsentiert und umsortiert gezeigt. An diesen wundersamen Orten durfte das Edelweiß der Alpen genauso wenig fehlen wie die Mumien aus Ägypten, die ausgestopften Krokodile aus dem Nil oder das Horn des Einhorns. Das Natuurlijk Museum präsentiert Schätze dieser Art, einen Weißwein, der aus Rotweintrauben gekeltert wurde, wimmelnde Larven, Meteorite, Frauen in Tigerpelzen, Stocknägel und eben auch das wundersame Edelweiß mit seiner Pseudoblüte, die Pflanze, die schon 1886 als eine der ersten in Österreich unter Naturschutz gestellt wurde.

Zirka 80 Pflanzenstöcke dieses streng geschützten Edelweiß wurden nun in Amsterdam ausgesetzt. 18 Pflanzenkübel mit den ca. 80 Pflanzen mit je 2-5 Blüten wurden zuvor für drei Tage im Berliner Museum der Unerhörten Dinge ausgestellt. Es kam bei Besuchern immer wieder zu sehr verwunderten Reaktionen und Befremden über das gezeigte Edelweiß. Immer wieder kam es zu Fragen nach der Legalität des Edelweiß, Proteste, die von einem Ausstellungsverbot der sehr gefährdeten Pflanze ausgingen, wurden geäußert: „Das ist doch verboten, die Pflanzen stehen doch unter besonderem Naturschutz.“, „Dürfen Sie das, das Edelweiß einfach so zeigen?“, „Haben Sie eine Genehmigung für die Zur-Schaustellung dieser geschützten Pflanze?“ etc.

Am 26. 5. 2007 wurden alle Edelweißpflanzen in ein Auto gepackt und verdeckt zuerst in das 30-Seelen-Dorf Kröte im Wendland südlich von Hamburg gefahren, um dort für drei Tage an der Sonne zur Akklimatisierung zwischen zu lagern.

Am 28.5.2007 wurden die 18 Kübel mit den ca. 500 Blüten endgültig, auf Landstraßen und Autobahnen, nach Amsterdam gefahren. An der Staatsgrenze zwischen Deutschland und den Niederlanden gab es keine Schwierigkeiten, Kontrollen entfielen, sodass das Auto mit der seltsamen und sorgsam behüteten, geheimen Fracht am Abend in der Olympischen Tiefgarage stand.

Aderntags fand die Aussiedelung der Pflanzen statt.

An einem geheimen Ort, nicht weit entfernt vom Natuurlijk Museum, wurden die Pflanzen in einem Hinterhof ausgesetzt, in einen kalkreichen, aber ansonsten nährstoffarmen Boden ausgepflanzt. Von diesem Standpunkt aus wird nun das Edelweiß seinen Weg, seinen neozoenischen Weg, in die niederländische Fauna finden.
Die Auswilderung wird ähnlich wie bei den Halsbandparkieten des Vondelparks, einer Papageienart, vor sich gehen. Es ist anzunehmen, dass sich nach ein paar Jahren die Edelweißpopulation etwas vermindert, um dann um so mehr, nach der erfolgreichen Angleichung an die neuen Umweltbedingungen, seine nicht mehr aufzuhaltende Verbreitung zu finden.

Zuerst wird das gefährdete und geschützte Edelweiß in den Hinterhöfen und an den Parkanlagenrändern zu finden sein, dann vermehrt an den grünen Rändern der Grachten Amsterdams, um dann in nicht ferner Zukunft die Stadt zu verlassen und in einer überschaubaren Zeit eine hollandübliche, die Niederlanden prägende Pflanze zu werden.
Tulpen waren einmal, Edelweiß wird werden

Wie werden die Niederlande in 50 - 100 Jahren aussehen? Werden die Löwen im Königswappen ein Edelweiß in der Schnauze tragen? Wird sich das Edelweiß von Holland aus wieder in den Alpen ansiedeln und dort von der Liste der bedrohtesten Pflanzen genommen?
Es sind Fragen, die sich noch nicht aktuell stellen, aber die sich langfristig nach der Aktion Edelweiß für Amsterdam stellen werden. Der Anfang ist gemacht!

 

Die Nachforschungen der Journalistin Gül Athan-Mejer

Es war ein langsamer Prozess, der die Niederlande zum Land des Edelweiß machte. Nun diskutiert plötzlich das ganze Land darüber, denn dem Wappen des Königshauses soll ein Edelweiß hinzugefügt werden. Die niederländische Gesellschaft ist dabei in zwei Gruppen gespalten: Die einen protestieren dagegen, denn es sei nur ein Kuschen vor der Pflanzenlobby, das Edelweiß sei ein artfremdes Gewächs. Die Befürworter sagen, dass man mit der Zeit gehen müsse, das Königshaus sei ja sowieso nur noch eine Touristeneinrichtung. Wieder andere befürworten das Edelweiß als eine überfällige Geste, es wächst ja auch am Hindukusch.

Gül Athan-Mejer machte sich auf die Suche, wie das Edelweiß überhaupt in den Niederlanden einheimisch werden konnte. Sie recherchierte, dass Holland früher als Land des Käses und der Tulpen galt. Käse wird seit Jahrzehnten nur noch eingeführt und Tulpen gibt es nur noch in Hobby- und Archegärten. Die Niederlande beliefert heute die gesamte Welt mit Edelweiß, es ist seit Jahrzehnten die Modepflanze schlechthin und in keinem Land wächst sie so rein und schön wie in den niederländischen Freilandgärtnereien.

Gül Athan-Mejer stieß bei ihren Recherchen in einem privaten Archiv für Printmedien des Berliner Archivars Bernd Graff auf einen über hundert Jahre alten Zeitschriftenartikel aus dem Jahre 2007, in dem berichtet wird, wie in einer halb illegalen Aktion gezielt Edelweiß in Amsterdam ausgesetzt wurde.

Der Berliner Restaurateurin Meike Mentjes gelang es, den Zeitschriftenartikel in einen lesbaren Zustand zu bringen.

Frau Gül Athan-Mejer bekam für ihre Recherchen den Digolg-Preis zugesprochen. Dieser soll Journalisten anregen, sich mit Geschichte zu beschäftigen, auch wenn das Fach als geisteswissenschaftliches schon vor 38 Jahren abgeschafft wurde. Kritiker der Staatlichen Digitalarchive beklagen, dass dies wieder ein typisches Beispiel dafür sei, dass dieses Archiv versage und dass es ein großer Fehler gewesen sei, die Originale zu zerstören.

Nachfolgend der restaurierte Artikel, wie das Edelweiß nach Amsterdam kam und umseitig eine Übersetzung ins Deutsche von der allseits bekannten Els Branneberg.